Frühling

Der Frühling kommt heran, Der holde Blumenmann,
Es geht schon Feld und Anger, Mit seiner Schönheit 
                   schwanger.
Der Blütenfeind, der Nord, Steht auf und sich fort.
Das Turteltäubchen, lasst hörn die Seufzerlein.

Die Lerch ist auf der Gruft, Und ziert Feld und Luft
Mit ihrem Direlieren, Das sie so schön kann führen.
Die Künstlern Nachtigall, Lockt und zickt überall.
Die Vöglein jung und alt, Sind munter in dem Wald.

Die Sonne führet schon, Ihr´n freudenreichen Thron
Durch ihre güldnen Pferde, Viel näher zu der Erde.
Die Wälder ziehn sich an, Und stecken auf ihr Fahn.
Der Westwind küsst das Laub, Und reucht nach 
                      Blumenraub.

Das Wild lauft hin und her, Die Läng und die Quer.
Es tanzen alle Wälder, Es hüpfen alle Felder.
Das liebe Wollenvieh, Das weidet sich nun früh.
Die stumme Schuppenschar, schwimmt wieder offenbar.

Die ganze Kreatur, Wird anderer Natur.
Die Erde wird verneuet, Das Wasser wird erfreuet,
Die Luft ist lind und weich, Warm, tau- und regenreich.
Der Himmel lacht uns an, So schön er immer kann.

Drum kreuch auch meine Seel, Herfür aus deiner Höhl
Lass deines Herzens Erden, Zu einem Frühling werden.
Zertritt Gefröst und Eis, Und werde ein grüner Reis.
Sei eine neue Welt, Und tugendvolles Feld.

Lass deine Seufzer geh, Mit lieblichem Getön.
Lass hören dein Verlangen, Den Bräutigam zu empfangen.
Sei eine Nachtigall, Und lockt mit Liebesschall 
Der Himmel höchste Zier, Den süssen Gott zu dir.

Schwing dich behend und fein, Gleich wie ein Lerchelein,
Vom irdischen Getümmel, Und schwebe frei im Himmel.
Bereite dich im Klang Und stetem Lobgesang,
Den Schöpfer zu verehrn, Und seien Ruhm zu mehrn.

Es fähret schonn herein, Sein gnädger Sonnenschein.
Er lässt schon seine Strahlen, Dein ganzes Herz bemalen.
Sein Geist, der süsse Wind, Weht schon dich an, sein 
                         Kind.

Drum blüh in seiner Lieb, Und folge seinem Trieb.

(Angelus Silesius 1624-1677; Dt.Lyriker)